Warum Fluktuation vollkommen normal ist und wann sie zum Problem wird
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Zumeist wird Fluktuation mit einer Entwicklung verbunden: Personal verlässt das Unternehmen. Das ist nicht falsch, berücksichtigt aber nicht alle Seiten. Genauso gehört dazu, wie viele Mitarbeitende ins Unternehmen einsteigen und wie viele innerhalb des Unternehmens wechseln.
Veränderungen sind normal – teils betrieblich initiiert, teils auf Wunsch von Mitarbeitenden, teils aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen. Denken wir beispielsweise an Kolleg*innen, die
- in neuen/anderen Fachbereichen und Abteilungen tätig werden
- sich für Elternzeit entscheiden
- eine berufliche Auszeit wählen (z. B. Sabbatjahr)
- sich in den (Vor-)Ruhestand verabschieden
- in einem befristeten Arbeitsverhältnis angestellt sind
- sich extern weiterentwickeln/-bilden möchten (z. B. Studium, avisierter Jobwechsel)
- krankheitsbedingt ihren Job nicht ausüben können
Formen der Fluktuation
Die Gründe für personelle Bewegungen sind also vielfältig. Sie lassen sich im Groben wie folgt kategorisieren:
Unternehmensinterne Fluktuation
Beschreibt den internen Stellenwechsel von Mitarbeitenden, z. B. zur Unterstützung neuer Teams, durch Übernahme einer leitenden Position oder durch die Versetzung in andere Einsatzbereiche/an andere Einsatzorte. Die interne Fluktuation kann Indikator für das Entwicklungspotenzial und die Mitarbeiterförderung in einer Organisation sein.
Natürliche Fluktuation
Bezeichnet personelle Veränderungen, die beispielsweise altersbedingt erfolgen (z. B. Altersteilzeit, Vorruhestand und Rente) oder auf vertragliche Bedingungen (z. B. befristete Arbeitsverhältnisse) zurückzuführen sind. Diese Entwicklungen sind in der Regel planbar. Hinzukommen zeitlich begrenzte Abwesenheiten, z. B. in Form von Sabbaticals, Erziehungsurlaub oder langfristiger Arbeitsunfähigkeit.
Unternehmensexterne Fluktuation
Bezieht sich auf Personalaustritte, die von Mitarbeitenden ausgehen, z. B. aufgrund eines avisierten Jobwechsels. Das umfasst ebenso die Vertragsaufhebungen bzw. Kündigung vonseiten der Mitarbeitenden, die nach einem kurzen Zeitraum das Unternehmen wieder verlassen möchten (= Frühfluktuation).
Fluktuationsrate berechnen
Alle Formen der Fluktuation lassen sich durch die Berechnung der Fluktuationsrate beziffern. In der Regel wird diese für einen definierten Erhebungszeitraum erhoben, z. B. pro Jahr, um vergleichbare Kennzahlen zu erhalten.
An dieser Stelle seien zwei gängige Formeln genannt, die den Fokus auf die unternehmensexterne Mitarbeiterfluktuation setzen. Denn diese ist zumeist die problematischste Form der Fluktuation in Unternehmen.
Die einfachste Art der Berechnung
- nicht betrieblich initiierte Personalabgänge / durchschnittlicher Gesamtpersonalbestand x 100
Manko: Die Formel betrachtet nicht die Anzahl der Neuzugänge. Dadurch können tatsächliche Bedingungen verfälscht dargestellt werden.
Die Schlüter-Formel
Im Gegensatz zur ersten Formel ist diese präziser und berücksichtigt ebenso Neuzugänge im Erhebungszeitraum:
- nicht betrieblich initiierte Personalabgänge / (Personalbestand zu Anfang des Erhebungszeitraumes + Neuzugänge im Erhebungszeitraum) x 100
Die Berechnungen lassen sich weiter ausdifferenzieren, um detaillierte Erkenntnisse zu gewinnen:
- Wie hoch ist die Fluktuationsrate in diversen Unternehmensbereichen oder Berufsgruppen?
- Wie ist die Quote aufgeschlüsselt nach den Ursachen für den Personalaustritt?
- Wie ausgeprägt ist die Frühfluktuation?
Im Vergleich: Was ist eine normale Fluktuationsrate?
Wie lässt sich nun aber die berechnete Fluktuationsrate in Relation setzen? Ist der Wert hoch oder bewegt er sich in einem „normalen Rahmen“? Die Antwort ist alles andere als einfach. Denn die Kennzahlen lassen sich unter Umständen nur unzulänglich miteinander vergleichen.
Diverse Umstände wirken sich auf die Fluktuation aus, z. B.
- der Standort
- die Unternehmensgröße
- die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen
- etwaige Vorgaben der Politik
- wirtschaftliche und strukturelle Veränderungen
Letztlich sind es zahlreiche heterogene Faktoren, die Einfluss auf das Ergebnis nehmen. Hinzukommt, dass je Unternehmen die Berechnungsgrundlage nicht einheitlich sein muss. Während die einen sich auf durchschnittliche Personalbestände stützen, berücksichtigen andere ergänzende Werte zur Bestimmung.
Vergleichbar sind Kennzahlen von Organisationen und Bereichen, die sich sehr ähneln und nach einem abgestimmten Verfahren die Fluktuationsrate erheben. Verlässlicher sind die Kennzahlen aus der eigenen Organisation. Diese lassen sich über Jahre bzw. definierte Erhebungszeiträume hinweg in Relation setzen.
Positive und negative Auswirkungen
Veränderungen durch die interne und natürliche Fluktuation sind in der Regel absehbar und können durch eine gute Personalplanung entsprechend vorbereitet werden, z. B. durch rechtzeitige Nachbesetzung und Einarbeitung. Kommt es jedoch zu vielen internen Wechseln oder scheiden zeitgleich viele Mitarbeitende altersbedingt aus, kann dies zu Unsicherheiten im Team führen.
Fluktuation muss jedoch nicht per se schlecht sein. Sie kann auch positive Auswirkungen haben, z. B. wie folgt:
- Neuzugänge bringen andere Sichtweisen und neues Wissen in das Unternehmen ein. Dies kann dazu beitragen, bestehende Prozesse und Strukturen zu hinterfragen und zu optimieren.
- Neue Kolleg*innen können zur Leistungs-, Produktivitäts- und/oder Motivationssteigerung beitragen.
- Für bestehende Mitarbeitende ergibt sich durch einen Personalaustritt die Möglichkeit, sich für andere möglicherweise höhere Position zu qualifizieren.
- Das Netzwerk und die Kontakte neuer Mitarbeitenden können von Vorteil für das Unternehmen und das Team sein.
- Der Austritt von Personen, die Konflikte verursacht oder zu negativer Stimmung im Unternehmen beigetragen haben, kann zur Entspannung im Team verhelfen.
Häufig stehen vor allem die negativen Auswirkungen im Fokus. Etwa diese hier:
- Mit Austritt aus dem Unternehmen gehen fach- und unternehmensspezifisches Wissen sowie wichtige Kompetenzen verloren.
- Eine hohe Fluktuation kann sich negativ auf die Unternehmenskultur und -reputation auswirken.
- Es entstehen Mehrkosten und -aufwände durch Nachbesetzung – u. a. durch Rekrutierung, Onboarding und Einarbeitung (u. a. Schulungen).
- Gewisse Stellen lassen sich nur schwierig oder kaum nachbesetzen.
- Kündigungen können Verunsicherung in der Belegschaft auslösen, u. a. aufgrund von Änderungen hinsichtlich der Strukturen, Aufgaben und Funktionen.
- (Vermehrte) Personalaustritte können die Leistung, Produktivität und Motivation der Belegschaft beeinträchtigen.
- Kündigungen können ebenso Auswirkungen auf langjährige Kundenbeziehungen haben. Es muss zunächst Vertrauen zu neuen Ansprechpartner*innen aufgebaut werden.
Treiber der externen Mitarbeiterfluktuation
Um gegen eine zu ausgeprägte unternehmensexterne Mitarbeiterfluktuation vorzugehen, müssen die Ursachen identifiziert werden. Dabei sind es häufig mehrere Komponenten, die zu einem Jobwechsel führen und sich vielfach auf folgende vier Treiber zurückführen lassen:
- emotionale Treiber, z. B. mangelnde Wertschätzung und Anerkennung für gute Arbeit, Konflikte mit Kolleg*innen oder Vorgesetzten, unzureichende kulturelle Passung (Defizite im Cultural Fit), unerfüllte Erwartungen, Unzufriedenheit mit Aufgaben oder Strukturen
- rationale Treiber, z. B. fehlende Weiterbildungsoptionen, keine oder wenig Aufstiegschancen, hohe Arbeitsbelastung, geringe Vergütung, unausgewogene Work-Life-Balance
- persönliche Treiber, z. B. Veränderung der persönlichen Lebensumstände
- externe Treiber, z. B. Abwerben (Active Sourcing), Auswirkungen der wirtschaftlichen Lage und der Arbeitsmarktsituation
Maßnahmen: Strategisch vorgehen
Wer versucht, Stellen einfach schnell nachzubesetzen, kämpft gegen Windmühlen. Es gilt, nachhaltig in die Mitarbeiterbindung zu investieren. „Retention ist das neue Recruiting“ – ja, es mag mittlerweile abgedroschen wirken. Aber letztlich löst die Personalbeschaffung nicht die Ursachen für die hohe externe Fluktuation, sondern agiert reaktiv.
Nun gibt es vielfältige Ansatzpunkte, um die Mitarbeiterbindung zu erhöhen, u. a.
- aufrichtige Wertschätzung und Anerkennung
- Weiterbildungsoptionen und Aufstiegschancen
- Möglichkeiten zur Mitsprache und Mitgestaltung
- attraktive Benefit-Programme
- finanzielle Anreize
- Kinderbetreuungsangebote
- Sport- und Gesundheitsangebote
- Verbesserungen zur Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben
- eine konstruktive Feedback- und Fehlerkultur
- u. v. m.
Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung funktionieren jedoch nicht pauschal. Mitarbeitende haben unterschiedliche Präferenzen und Erwartungen. Deswegen ist es wichtig, die diversen Bedarfe sowie Bedürfnisse ganzheitlich zu erfassen und – nach Relevanz und Möglichkeit – auf diese einzugehen.
Bestenfalls geschieht dies mit Weitblick. Etwa im Zuge eines Employer-Branding-Prozesses, in dem sich Unternehmen als Arbeitgeber auf den Prüfstand stellen und gezielt Strategien sowie Maßnahmen erarbeiten. Um als zukunftsfähiger Arbeitgeber Mitarbeitenden eine attraktive Perspektive zu bieten, für die sich der Einsatz lohnt.
Titelbild: Unsplash/© Studio 74
Hinweis: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in einzelnen Fällen auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter.
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