Schülerbefragung 2019: Wie orientieren sich Nachwuchstalente bei der Berufswahl?

Lieber Alex, wir durften uns in diesem Jahr bei der dee:p19 persönlich kennenlernen. Du warst ja direkt im doppelten Auftrag hier 😊. Zum einen hast du die mutige IT-Kampagne der apoBank vorgestellt. Zum anderen hat die Jury der PMI Awards dich in diesem Jahr als Personalmarketing Innovator ausgezeichnet. Chapeau! Eines steht fest, durch dein Engagement und deine Präsenz als Speaker und HR-Blogger hast du dir definitiv einen Namen gemacht. Doch statt dich auf den Lorbeeren auszuruhen, hast du erneut etliche Projekte begleitet, z. B. die diesjährige Schülerbefragung der apoBank.
Magst du vielleicht über dich selbst ein paar Worte sagen und uns etwas über deinen Werdegang und deine Passion fürs Personalmarketing erzählen?
Vielen Dank, Tina, sehr gerne! Ich arbeite seit 2013 bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank in Düsseldorf. Dort bin ich zuständig für Employer Branding und Personalmarketing. Mit den Themenfeldern befasse ich mich schon seit vielen Jahren. In meinem Bachelor- und Masterstudium habe ich in diesem Gebiet viele quantitative Forschungen durchgeführt, beispielsweise zum Informationsverhalten von Studierenden oder auch der Relevanz von Arbeitgebersiegeln. Nebenbei bin ich an meiner alten Hochschule, der FOM Hochschule für Oekonomie & Management, als nebenberuflicher Lehrbeauftragter für Human Resources tätig und gebe mein Praxiswissen an den akademischen Nachwuchs weiter.
Die Schülerbefragung habt ihr nun zum dritten Mal durchgeführt. Kannst du uns noch kurz die Grundidee zur Studie erläutern? Was war euer Motiv?
Die Idee zu der Studie ist abgeleitet aus meiner Masterthesis. Dort habe ich das Informationsverhalten von Studierenden untersucht und die Präferenzen in der Ansprache von Studierenden seitens der Unternehmen. Die Ergebnisse dabei waren so interessant, dass wir daraus die Schülerbefragung entwickelt haben und Erkenntnisse darüber erhalten möchten, wie und wo Schüler sich in der Berufsorientierung informieren.
Dann lass uns doch mal direkt in die Studie einsteigen. Immer mehr Schüler entscheiden sich in den letzten Jahren für ein Studium statt für eine Lehre. Findet sich der Trend in der Studie bestätigt oder lässt sich langsam wieder ein Umdenken erkennen?
Unsere Studie bestätigt schon den generellen Trend am Markt. Es ist aber nicht so, dass die Teilnehmer an unserer Befragung kein Interesse an einer Ausbildung haben. Immerhin haben 45 % der befragten Schüler angegeben, dass sie sich nach der Schulzeit eine Ausbildung vorstellen können. Die Schwierigkeit für Schüler ist eher, bei dem vielfältigen Angebot einen Überblick zu bekommen. Wir haben in Deutschland alleine über 300 Ausbildungsberufe mit IHK- oder HKK-Abschluss.
Und wie geht die apoBank mit dem Trend um bzw. wie gut kann die apoBank ihre Ausbildungsstellen besetzen?
Unsere Personalentwicklung hat ein Nachwuchskonzept erarbeitet, welches Schülern einige Freiheiten bei der Entscheidung zwischen Ausbildung und dualem Studium bietet. Der Schüler kann bei entsprechender Eignung entscheiden, ob er mit der Ausbildung oder mit einem dualen Studium startet. Das Nachwuchsprogramm ist so konzipiert, das nach knapp 5 ½ Jahren das gleiche Level erreicht ist, egal welchen Weg der Schüler genommen hat. Zudem bieten wir Schülern seit Kurzem ein Online-Berufsorientierungsspiel, bei dem sie ihr Wissen auf spielerische Weise testen können und Einblicke aus dem Alltag der apoBank erhalten.
Vielen Schülerinnen und Schülern fällt die Berufswahl ja doch nicht so leicht, schließlich fängt ein neuer Lebensabschnitt an. Wo holen sie sich Rat? Beziehungsweise welche Personen / Institutionen nehmen Einfluss auf die Wahl bzw. sind wichtige Ansprechpartner bei der Berufsorientierung?
Neben Familie, Eltern, Freunden und Bekannten sind Unternehmensvertreter relevante Ansprech- und Austauschpartner für Schüler in der Berufsorientierung. Die Vertreter von Unternehmen sind dabei in der Relevanz noch vor Lehrern, der Berufsberatung der Agentur für Arbeit oder auch der IHK.
Wie sieht es medial aus? Woher beziehen Schülerinnen und Schüler ihre Informationen? Welche Rolle spielen beispielsweise die sozialen Netzwerke in der Berufsorientierung? Gibt es den einen Channel oder das zentrale Medium, um junge Talente zielsicher anzusprechen?
Generell ist ein crossmedialer Mix der Kommunikationswege wichtig. Das einzelne Medium für die Ansprache gibt es nicht. Bei sozialen Netzwerken zeigt sich deutlich der Trend, dass Instagram und YouTube sehr gefragt sind von Schülern in der Berufsorientierung. Facebook verliert hier seit Studienbeginn im Jahr 2017 jährlich an Relevanz. Auffällig ist jedoch auch, dass knapp ¼ der befragten Schüler angegeben hat, dass sie über keine sozialen Netzwerke Informationen über Arbeitgeber erhalten möchten.
Muss Kommunikation heute eigentlich immer digital sein, um junge Talente zu erreichen? Genießen digitale Medien gegenwärtig eine höhere Relevanz? Wie sieht es im Bereich Printmedien oder mit dem persönlichen Austausch aus?
Die digitale Medienüberflutung trägt dazu bei, dass für Schüler auch „Offline-Maßnahmen“ relevant sind. Dazu zählen insbesondere Veranstaltungen in der Schule, Ausbildungsmessen oder aber auch Broschüren und Schülerzeitschriften. Es zeigt sich, dass Schüler einen direkten Austausch suchen oder aber auch haptisch etwas in der Hand haben möchten.
Google for Jobs hat in diesem Jahr die HR-Welt auf den Kopf gestellt. Kannst du uns sagen, welche Relevanz die Suchmaschine bei der Suche nach Ausbildungsplätzen und Studienangeboten hat?
Seit Studienbeginn im Jahr 2017 ist Google der meistgewählte Kanal, wenn es um die Nutzung von Online-Portalen / Suchmaschinen bei der Suche nach Ausbildungsplätzen und dualen Studienmöglichkeiten geht. Google for Jobs bietet gute Möglichkeiten, seine Platzierung in der Google-Suche entsprechend zu optimieren. Der Ball liegt dabei aber ganz eindeutig bei den Unternehmen. Strukturierte Daten in den Stellenausschreibungen sind notwendig, damit die Ausschreibungen bei Google entsprechend sauber gelistet werden können. Die Nutzung der Google Indexing API trägt dann noch dazu bei, dass die Ausschreibungen in Echtzeit bei Google erscheinen bzw. herausgenommen werden.
Lass uns bitte auch noch einen Blick auf die unterschiedlichen Branchen werfen. Wie sieht es hier im Vergleich aus? Einige Branchen sind für Nachwuchstalente bekanntlich attraktiver als andere. Die Hotellerie und Gastronomie hat es zum Beispiel in den letzten Jahren nicht mehr so leicht.
Die Hotellerie und Gastronomie hat oftmals durch die Arbeitszeiten ein Attraktivitätsproblem bei Schülern. Freizeit und Work-Life-Balance sind u. a. wichtige Faktoren und diese sehen Schüler weniger in der Branche der Hotellerie und Gastronomie. Generell zeigt sich, dass die Medienbranche weiterhin sehr gefragt ist und auch der Bereich IT- und Telekommunikation. Ansonsten stechen keine weiteren Branchen besonders vorne heraus und verteilen sich sehr identisch. Dies könnte jedoch auch daran liegen, dass die befragten Schüler in der Phase der Berufsorientierung noch gar nicht genau wissen, was sie einmal beruflich machen möchten.
Wie schneidet der Finanzsektor ab? Welche Erfahrungen macht die apoBank?
Das Image von Banken hat in den letzten Jahren sehr gelitten. Das trifft einige Unternehmen im Finanzsektor vielleicht mehr als andere. Wir bei der apoBank haben durch die Fokussierung auf den Gesundheitsmarkt ein besonderes Alleinstellungsmerkmal, mit dem wir punkten können. Die Rolle als Nischenbank hat aber auch zur Folge, dass wir viel über uns und über unser Geschäftsmodell erzählen müssen. Durch die Verbindung von Bank und Gesundheitsmarkt können wir aber auch Bewerber ansprechen, für die eine klassische Bank weniger interessant wäre.
Lässt die Schülerbefragungen 2019 Rückschlüsse zu, wo die Reise hingehen wird? Welche Medien werden für die Berufsorientierung wichtiger? Beziehungsweise welche Entwicklung zeichnet sich in den letzten drei Jahren ab?
Die Umfrage zeigt deutlich auf, dass es nicht das Medium oder den Kanal gibt, über den Schüler erreicht werden können. Unternehmen, die Nachwuchskräfte gewinnen wollen, sollten daher auf einen guten crossmedialen Mix setzen, der sich an den Nutzungsgewohnheiten und Bedürfnissen des Nachwuchses ausrichtet. Die Entwicklung zeigt deutlich, dass bei den sozialen Netzwerken Instagram und YouTube wesentliche Medien in der Berufsorientierung sind. Spannend wird die Entwicklung von TikTok. In unserer Studie war die Nutzung noch verhalten. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass es hier eine relevante Veränderung in unserer Befragung 2020 gibt. Ansonsten wird deutlich, dass der persönliche Austausch für Schüler weiterhin wichtig und auch gewollt ist. Nicht immer muss es nur digital sein.
Magst du uns vielleicht noch verraten, welche Schlüsse ihr bei der apoBank für euch aus der Studie zieht?
Uns zeigt die Studie, dass wir mit unseren Kommunikationsmedien auf einem guten Weg sind und unsere Kanäle immer wieder auf das Nutzenverhalten unserer Zielgruppe überprüfen oder auch anpassen. Wir schauen aber auch, welche Kanäle zu unserer Kultur passen. Nicht jeder Trend in der Kommunikation passt zu uns. Schließlich wollen wir unseren Bewerberzielgruppen authentische Einblicke in die Welt der apoBank ermöglichen.
Lieber Alex, vielen Dank für die Einblicke in die Studie und natürlich auch für die Insights zur apoBank, die du uns gewährt hast.
Wer im Zuge des Interviews neugierig auf die weiteren Ergebnisse der Schülerbefragung geworden ist, findet hier die Zusammenfassung.
Angaben zum Studienaufbau:
- Instrument: Standardisierter Online-Fragebogen
- Zielsetzung: Erkenntnisgewinnung zu den Informationskanälen von Schülern in der Berufsorientierung
- Feldzugang: Online-Marktforschungsplattform „mingle“ der respondi AG
- Zielgruppe: Schüler
- Dauer der Feldphase: 20. Mai bis 6. Juni 2019
- Repräsentative Ergebnisse:
- Geschlecht (männlich 50,8 %, weiblich 49,2 %)
- Nielsen NWSE (N: 21,3 %, O: 11,2 %, S: 44,4 %, W: 23,3 %)
- n=506
Interviewpartnerin: Tina Schwarze
Titelbild: Alexander Hohaus © Deutsche Apotheker- und Ärztebank
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