31. März 2022 Keine Kommentare

Recruiter*innen: Von Suchenden zu Gesuchten

Personalengpässe begegnen uns vielerorts: im Handwerk, in der Pflege, in der IT, in der Logistik, im Ingenieurwesen, im Gastgewerbe, im Handel. Die Liste lässt sich schnell erweitern. Die Gründe sind verschieden: weniger Erwerbsfähige, weniger Nachwuchskräfte, unattraktive Arbeitsbedingungen, fehlende Spezialisierungen, unzureichendes Personalmarketing – um nur eine Auswahl zu nennen. Erfolgreiches Recruiting soll Abhilfe schaffen. Doch was ist, wenn letztlich auch dafür Fachkräfte fehlen?

    Haben Sie in den letzten Monaten schon mal versucht, handwerkliche und bautechnische Arbeiten zu beauftragen? Nicht selten geschieht dies nun mal aus einer gewissen Notwendigkeit heraus, weil eine Reparatur oder Instandsetzung fällig ist. Doch schnell merkt man, dass man mehr Zeit einplanen sollte. Nicht aufgrund der Arbeiten selbst, sondern weil diese erst gar nicht zeitnah angeboten werden können. In vielen Betrieben fehlt es an Personal.

    Nun trifft dieses Problem bekanntlich nicht nur auf das Handwerk zu. Personalengpässe erleben wir in vielen Branchen und Bereichen. Nach einer gewissen Zurückhaltung im Recruiting – bedingt durch Einstellungsstopp, Budgetkürzungen oder Kurzarbeit – zog die Suche nach Arbeitskräften 2021 wieder enorm an. Rund 8.066.000 ausgeschriebene Positionen beziffert index insgesamt für das letzte Jahr. Vor allem in Q4 stieg die Anzahl an gesuchten Fachkräften noch mal an.

    Quelle: index: Fachkräftemangel in Deutschland 2021

    Nachfrage nach HR-Fachkräften steigt drastisch

    Je größer der Arbeits- und Fachkräftebedarf ist, desto mehr Mitarbeitende sind für die Personalsuche und -auswahl erforderlich. Insofern stieg auch die Nachfrage nach Personaler*innen drastisch an. Im letzten Quartal 2021 traf dies laut Hays-Fachkräfte-Index vor allem auf folgende Positionen zu:

    • HR-Business-Partner
    • Recruiter
    • Manager für das Employer Branding

    Es zeigt sich demnach, dass vor allem spezialisierte Fachkräfte gesucht werden: HR-Business-Partner, die die Schnittstelle zwischen Personalwesen und Unternehmensführung bilden. Employer-Branding-Manager, die Arbeitgeber authentisch positionieren und in die Mitarbeitendenbindung investieren. Recruiter, die Lösungen zur erfolgreichen Mitarbeitendengewinnung entwickeln und umsetzen.

    Warum Spezialisierungen erforderlich sind

    Unumstritten ist, dass die Herausforderungen, die HR stemmen muss, zunehmen. Heute geht es im Recruiting schon lange nicht mehr darum, Stellen einfach irgendwie zu besetzen. In einem Arbeitnehmermarkt muss die Personalgewinnung schneller, kandidatenorientierter und nachhaltiger funktionieren. Sonst entscheiden sich Kandidat*innen früher oder später für einen anderen Job.

    Dafür müssen Recruiter*innen

    • gute Kommunikator*innen sein
    • deutlich aktiver auf Kandidat*innen zugehen
    • extern und intern netzwerken, d. h. Kontakte aufbauen und pflegen
    • aus Interessent*innen Bewerbende machen
    • einen wertschätzenden Bewerbungsprozess abbilden
    • digitale Möglichkeiten sinnvoll ausschöpfen und datenbasiert Entscheidungen treffen
    • Kandidat*innen mit dem Fachbereich verknüpfen und dort zügig Entscheidungen erwirken
    • den Spagat zwischen den Interessen und Erwartungen des Unternehmens und denen der Bewerbenden meistern

    … und ja, ganz sicher lassen sich noch weitere Skills definieren.

    HRler*innen, die für die gesamte Klaviatur an Personalangelegenheiten innerhalb eines Unternehmens verantwortlich sind, mögen da unweigerlich an ihre Grenzen kommen. Denn ein bisschen Recruiting nebenher zu der Personalplanung, dem Personalmanagement, dem Personalcontrolling, der Personalentwicklung funktioniert heute nicht mehr.

    Allen Rollen und Tätigkeiten kann man in Gänze nicht gerecht werden, vor allem nicht in größeren oder wachsenden Organisationen. Es benötigt Spezialist*innen, Recruiter*innen, die ihr Expertenwissen mitbringen. Die Krux: Erfahrenen Recruiter*innen, die gesucht werden, suchen meist gar nicht aktiv. Da braucht es geeignete Mittel und Wege, um mit den Talenten erstmal erfolgreich in Kontakt zu treten und dann mit dem Angebot Eindruck zu hinterlassen.

    Höhere Wechselbereitschaft als Chance

    Möglicherweise kann es für die Suche nach Recruiter*innen hilfreich sein, dass die Pandemie zu einer höheren Wechselbereitschaft beigetragen hat. Rund 37 Prozent der Arbeitnehmer*innen sind offen für einen neuen Job, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag von XING. Unter den Talenten im Alter von 30 bis 39 Jahren ist sogar fast jeder Zweite (48 Prozent) bereit für einen Arbeitgeberwechsel.

    Als besonders attraktiv gelten Arbeitgeber, die mit ihrer Unternehmenskultur punkten können. Während der Pandemie stellen offenbar immer mehr Beschäftigte ihre Arbeitssituationen und die kulturelle Passung mit ihrem Arbeitgeber auf den Prüfstand, erklärt Xenia Meuser, Senior Vice President Attract & Retain, Brand & Marketing bei der NEW WORK SE, die Studienergebnisse.

    Unternehmen, die im Zuge der Bewerbendensuche ihre Unternehmenskultur gut vermitteln können – z. B. im Gespräch, per Arbeitgeberauftritt via Social Media, über die Karriere-Website, im Bewerbungsprozess, im Onboarding etc. – und damit den Nerv der begehrten Talente treffen, werden sich somit einen entscheidenden Vorteil im Recruiting verschaffen. Insbesondere für die Ansprache der Zielgruppe Recruiter*innen gilt: Sie muss absolut überzeugend sein, Neugierde wecken und Perspektiven aufzeigen. Im Grundsatz gilt das natürlich für alle Zielgruppen. Doch durch ihr Know-how und ihre Erfahrung haben Recruiter*innen eine entsprechend höhere Erwartungshaltung als andere Zielgruppen.

    Noch unterschätzt: Internes Recruiting

    In Zeiten, in denen die Gewinnung von Spezialist*innen, wie Recruiter*innen, immer schwieriger wird, gewinnt ein Weg an Bedeutung: das interne Recruiting. Statt ausschließlich extern nach qualifizierten Talenten zu suchen, können Mitarbeitende gezielt gefördert und für gewisse Positionen entwickelt werden.

    Der Vorteil:

    • Organisationen bietet sich die Möglichkeit, Talente bedarfsgerecht auszubilden.
    • Mitarbeitende haben bereits eine höhere emotionale Bindung zur Organisation.
    • Mitarbeitende kennen die Organisation, verfügen über Insiderwissen und sind intern bereits gut vernetzt.

    Keine Frage: Natürlich kostet diese Entwicklung Zeit und Arbeit. Das trifft aber ebenfalls auf die externe Talentsuche zu. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Kandidat*innen finden, die zu 100 % Ihrem Anforderungsprofil entsprechen, ist eher gering. Die Chancen des internen Recruitings sollten daher nicht verkannt werden. Vielleicht ist der zukünftige Recruiter bzw. die zukünftige Recruiterin schon heute Teil Ihrer Belegschaft 😊

    Fakt ist: Personalengpässe erzwingen ein Umdenken. Wo heute schon Talente fehlen, wird es perspektivisch nicht einfacher, welche zu gewinnen. Das trifft auf Branchen, wie das Handwerk oder den Einzelhandel, aber genauso auf gewisse Unternehmensbereiche zu. Gefragt sind kluge Köpfe, die sich um (kreative) Lösungen bemühen und diese engagiert umsetzen: Recruiter*innen eben.



    Titelbild: Unsplash: © Amer Mughawish

    Hinweis: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in einzelnen Fällen auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter.

    Tina Schwarze

    ist Ihre Ansprechpartnerin für alle Anfragen rund ums Thema Content. Im Blog schreibt sie vorwiegend zu den Themen Personalmarketing und Employer Branding.