31. Oktober 2022 Keine Kommentare

Job-Ghosting: Wenn Bewerbende einfach abtauchen

Person, die im Nebel verschwindet

Job-Ghosting (hier Bewerbende, die sich ohne Angabe von Gründen zurückziehen) scheint ein zunehmendes Problem in der Personalbranche zu sein. Sind Sie als Arbeitgeber besonders häufig davon betroffen, zieht dies Konsequenzen nach sich. Um das Problem zu lösen, kommen wir um das Detektivspielen nicht herum. Mithilfe der Studienlage können wir vor allem eine Handlungsempfehlung ableiten: Optimieren Sie Ihre Candidate Experience!

    Die Frustration unter Recruiter*innen ist verständlicherweise groß. In Zeiten des Arbeitskräftemangels und der zunehmender Wechselbereitschaft ist der Wettbewerb um die richtigen Talente angestrengt. Die Ressourcen im Personalmanagement sind zudem oft knapp. Hat man nun Zeit in die Auswahl eines Kandidaten/einer Kandidatin gesteckt und diese*r taucht ohne Nennung eines Grundes ab, ist dies mehr als nur ärgerlich. Sie haben Zeit und Geld verschwendet, sind keinen Schritt näher an der Besetzung der Stelle und haben durch das fehlende Feedback auch nichts aus der Situation gelernt. Mist.

    Doch was nun? Lassen Sie uns das Phänomen Job-Ghosting ergründen und uns gemeinsam dem Problem stellen.

    Kurz erklärt:

    Viele kennen „Ghosting“ aus der Dating-Welt. Geghostet wird derjenige, der von einem/einer Dating-Partner*in plötzlich keine Antwort mehr erhält. Passenderweise versetzt der Begriff „Job-Ghosting“ dieses Phänomen ins berufliche Setting. Der Kontakt wird ohne Angabe von Gründen, beispielsweise im Bewerbungsprozess, von einer Partei abgebrochen – bewerberseitig oder unternehmensseitig.

    Ein häufiges Problem: Bewerber-Ghosting

    Sind Sie als Arbeitgeber von Job-Ghosting betroffen? Vielleicht ist Ihnen dies ein kleiner Trost: Nach aktueller Studienlage stehen Sie damit definitiv nicht allein da. Die Jobbörse Indeed hat zu dem Thema Umfragen durchgeführt. (Sie werden im Laufe des Textes davon noch öfters hören.)

    Die Ergebnisse bestätigen eine hohe Prävalenz:

    • 2019 hatten bereits 83 % der Arbeitgeber Erfahrungen mit bewerberseitigem Ghosting gemacht.
    • 2021 wurden 76 % der Arbeitgeber in der Spanne von einem Jahr geghostet.
    • 2022 gaben 64,8 % der Arbeitgeber an, dass Bewerbende mindestens einmal im Monat nicht mehr auf Ihre Kontaktversuche reagieren.

    Konsequenzen des Job-Ghostings

    Ghosting hat einige weitreichende Folgen, die durch die Prävalenz des Problems noch schwerwiegender werden. Vorab lässt sich eines klar sagen: Als Konsequenz läuft es darauf hinaus, dass durch Bewerber-Ghosting hohe Kosten für den Arbeitgeber entstehen.

    Höherer Ressourceneinsatz

    Der Mehraufwand nimmt zu, je weiter der Bewerbungsprozess vorangeschritten ist. Die Gefahr von Kandidat*innen geghostet zu werden, ist jedoch zu allen Punkten des Bewerbungsprozesses gegeben. Von der ersten Kontaktaufnahme bis in die Probezeit hinein.

    Etwas beruhigend ist die Erkenntnis von Indeed und Appinio, dass Kandidat*innen weniger häufig ghosten, je weiter der Bewerbungsprozess vorangeschritten ist. Wo 36,3 % der Befragten angaben, vor dem Bewerbungsgespräch gehostet zu werden, reduziert sich der Anteil zum Zeitpunkt des ersten Arbeitstages auf 6,8 %. Diese 6,8 % haben allerdings die höchsten Verluste zu vermerken. Denn zu diesem Zeitpunkt haben Sie die meisten Ressourcen investiert. Die Kosten beziehen sich zumeist auf:

    • Anwerbung (z. B. Schaltung einer Stelle auf Jobportalen)
    • Auswahl (z. B. Bewerbungsgespräche)
    • Einstellung (z. B. Ausarbeitung der Verträge)
    • Einarbeitung (z. B. Einrichten von Zugängen)

    Die Investitionen müssen bis zur finalen Besetzung der Stelle wiederholt getätigt werden.

    Höhere Belastung für das Team

    Je länger eine Stelle unbesetzt bleibt, desto stärker bekommt das Unternehmen dies zu spüren. Die Aufgaben der nicht besetzten Stelle müssen durch die vorhandenen Teammitglieder kompensiert werden. Sie haben so weniger Zeit für Ihre eigenen Aufgaben und die Produktivität des Teams sowie des Unternehmens leidet. Außerdem entsteht eine höhere psychische Belastung, die für Mitarbeitende (z. B. Burnout) sowie das Unternehmen (z. B. erhöhte Fluktuation) schwerwiegende Folgen haben können.

    Negativer Imagebeitrag

    Wenn Bewerbende abtauchen, hat dies immer einen Grund. Selbst wenn er Ihnen nicht mitgeteilt wird. Werden beispielweise negative Erfahrungen im Bewerbungsprozess gemacht, spricht sich das leicht herum. Ob auf Arbeitgeberbewertungsplattformen oder im Umfeld der Kandidat*innen, die Auswirkungen sind ähnlich. Ihr Image als Arbeitgeber bekommt einen Knacks. Der nächste Schluss liegt nun auf der Hand: Irgendetwas scheint mit diesem Unternehmen nicht zu stimmen. Da bewerbe ich mich lieber nicht!

    Ist Ihr Image als Arbeitgeber erstmal beschädigt, leidet Ihre Bewerberquote und -qualität. Es kostet viel Mühe, diesen Schaden wieder zu beheben.

    Die Geister, die ich rief? Darum ghosten Bewerbende

    Ghosting geht immer mit einer Informationslücke einher. Die Bewerbenden ziehen sich schließlich ohne Angabe von Gründen zurück. Doch wenn ich nicht weiß, wo das Problem liegt, wie soll ich es dann beheben? Expert*innen und Studien stellen unter anderem folgende Gründe heraus

    • Bewerbende erhielten ein besseres Angebot
    • Bewerbende haben Angst vor einer Konfrontation
    • Bewerbende entscheiden, dass der Job doch nicht der richtige ist
    • das Gehalt

    Eine Befragung der Jobbörse Indeed von etwa 250 Arbeitssuchenden gibt noch etwas tiefere Einblicke:

    1. Häufig wurden Bewerbende bereits selbst von potenziellen Arbeitgebern geghostet. Sie haben dadurch weniger Hemmungen, selbst zu ghosten.
    2. Der Bewerbungsprozess war ihnen zu umfangreich oder zu lang. Wartezeiten von mehreren Wochen sind im Bewerbungsprozess nicht tragbar.
    3. Im Bewerbungsprozess wurden Informationen aufgedeckt, die ihre Sicht auf das Unternehmen veränderten. Dies könnte die Erkenntnis sein, dass die Unternehmenskultur nicht zu einem selbst passt. Allerdings achteten die Bewerbenden auch auf Red Flags, wie unangenehmes oder unangemessenes Verhalten von Recruiter*innen oder schlechte Arbeitgeberbewertungen.
    4. Das Unternehmen zeigte sich im Bewerbungsprozess nicht ausreichend flexibel und verständnisvoll.

    So steuern Sie als Arbeitgeber gegen

    Da wir nun einige Gründe für das Bewerber-Ghosting kennen, liegt die Lösung auf der Hand: Verbessern Sie Ihre Candidate Experience. Mit dieser Aussage ist es natürlich nicht getan. Die Candidate Experience wird durch viele Faktoren beeinflusst, da müssen wir schon etwas genauer hinschauen. Machen wir jetzt auch. Eine Sache, die Sie stets bedenken sollten, vorweg: Der Eindruck, den Sie bei Bewerbenden hinterlassen, wirkt nicht nur auf individueller Ebene. Erfahrungen sprechen sich herum und wirken auf Ihr Image als Arbeitgeber.

    Mit gutem Beispiel vorangehen

    Dieser Punkt sollte eigentlich klar sein. Achten Sie darauf, immer und zeitnah Rückmeldungen zu geben. Erwarten Sie von Ihren Bewerbenden Verlässlichkeit und Verbindlichkeit, sollten Sie dies auch vorleben. So wird dieses Verhalten auch mit größerer Wahrscheinlichkeit erwidert.

    Wertschätzung vermitteln

    Die Kandidat*innen haben sich dazu entschieden, sich bei Ihnen zu bewerben. Bevor die Bewerbung bei Ihnen eingeht, haben sie also schon ein gewisses Maß an Aufwand betrieben. Belohnen Sie diesen Aufwand mit einer individuellen und persönlichen Kommunikation. Zeigen Sie, dass Sie die Entscheidung und den Aufwand wertschätzen. Seien Sie sich der Ernsthaftigkeit Ihrer Rolle bewusst und vermitteln Sie dieses Verantwortungsgefühl nach außen. Fühlen sich Ihre Bewerbenden wertgeschätzt, steigern Sie auch Ihre Chance auf eine Zusage.

    Ein bewerberorientierter Prozess

    Dies bezieht sich zum einen auf Länge und Umfang, zum anderen auch auf die Flexibilität innerhalb des Prozesses. Bewerber*innen möchten und können nicht unendlich viel Aufwand betreiben, um eventuell die Möglichkeit zu bekommen, in Ihrem Unternehmen zu arbeiten. Machen Sie es Ihnen leicht und stellen sich so als attraktiver und kooperativer Arbeitgeber dar.

    Der richtige Auftritt

    Stellen Sie sich bei Ihrer externen Arbeitgeberkommunikation geschickt an, reduzieren Sie ungewollte Überraschungen im Bewerbungsprozess. Dabei ist es unumgänglich, dass Sie Ihre Zielgruppen richtig kennenlernen. Durch eine zielgruppengerechte Ansprache und eine gute Informationsvermittlung auf Ihren Kommunikationskanälen ziehen Sie die passenden Kandidat*innen an. Es ist zudem unbedingt notwendig, authentisch zu sein, d. h. sich so zu zeigen, wie man ist und keine falschen Versprechungen zu machen.

    Job-Ghosting: Ein bleibendes Problem?

    Abschließend lässt sich sagen, dass Ihnen trotz der größten Bemühungen immer mal wieder die einen oder anderen Bewerbenden abtauchen werden. Das ist wahrscheinlich nicht das, was Sie hören wollten, aber wir müssen realistisch bleiben.

    Wenn Sie jedoch kontinuierlich an der Optimierung Ihrer Candidate Experience arbeiten, sind Ihre Bewerbenden zufriedener und Sie sollten die Häufigkeit des Ghostings dadurch reduzieren können. Damit einhergehend senken Sie die Kosten im Recruiting-Prozess und unterstützen die Produktivität Ihres Unternehmens.



    Titelbild: Unsplash: © Federico Burgalassi

    Hinweis: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in einzelnen Fällen auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter.

    Theresa Heinrichs

    ist Ihre Ansprechpartnerin für alle Anfragen rund um die Themen Arbeitgebermarken und Arbeitgeberanalysen. Im Blog schreibt sie vorwiegend über Employer Branding.