Employer Branding im Gesundheitswesen: Martin Camphausen im Interview
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Es scheint paradox. Viele Krankenhäuser suchen dringend nach Personal und der Wettbewerb untereinander nimmt drastisch zu. Die Themenfelder Employer Branding, Personalmarketing, Communications und Marketing müssten in der Konsequenz also deutlich an Relevanz gewinnen. Und doch mangelt es in der Breite weiterhin an überzeugenden (Arbeitgeber-)Markenauftritten und an strategischer (Arbeitgeber-)Kommunikation.
Woran liegt das und was kann dagegen unternommen werden? Martin Camphausen findet in unserem Talk „WESTPRESS im Gespräch“ – wie gewohnt – klare Worte: über ein zwingend erforderliches Umdenken, über die aktuelle Situation im Gesundheitswesen und über Chancen, die zum richtigen Zeitpunkt richtig genutzt werden müssen.
Employer Branding und Personalmarketing gelten als nice-to-have
„Ich glaube es ist für alle, die aus dem Gesundheitswesen und vor allem auch aus dem Krankenhauswesen kommen, kein Geheimnis, dass das Dinge sind, die auch heute noch nice-to-have sind“, erklärt Martin Camphausen im Videointerview. Als Head of Corporate & Employer Branding beim Klinikverbund Südwest und seiner Zeit als Leiter Unternehmenskommunikation bei den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken kennt er sich in der Gesundheitsbrache bestens aus.
Für ihn steht fest: Die Disziplinen Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting und Marketing sind jeweils eine Profession für sich. Zusammen bilden sie in einer Organisation ein „Must-have-Vehikel“, damit alle Zahnräder optimal ineinandergreifen und Synergien sinnvoll genutzt werden. Die Notwendigkeit liegt für ihn auf der Hand. Schließlich würden jedes Jahr Krankenhäuser geschlossen oder verlegt. Grund genug für die anderen, sich zu behaupten und sich in- wie extern klar zu positionieren – insbesondere als Arbeitgeber.
Die Situation im Gesundheitswesen ist herausfordernder denn je
In Zeiten der Pandemie ist die Lage allerdings angespannter denn je. „Wir haben eine noch frustriertere Pflege als jemals zuvor.“ Natürlich habe es schon früher immense Probleme in der Pflege gegeben, aber unter Corona sei das noch einmal eine ganz andere Nummer geworden, sagt Martin ganz offen. „Wir wissen, dass es jetzt schon um die 9.000 Kollegen weniger in der Pflege gibt als vorher. Wir wissen seit einer kürzlichen Umfrage, dass bis zu 1/3 der Intensivpflegekräfte aktuell hinschmeißen möchte – noch in 2021.“
Dabei bezieht sich die prekäre Situation nicht allein auf Pflege-, sondern ebenso auf weitere Gesundheitsberufe. Er schlussfolgert: „Wenn der Markt eh schon klein oder zu klein war – und immer kleiner wird, dann muss ich schon danach schauen, dass die Leute zu mir [als Arbeitgeber] und nicht zu jemand anderem gehen. Umso wichtiger ist es, dass man mich kennt und weiß, warum ich gut bin.“
Was ist Employer Branding und was nicht
Wenn man das Thema Employer Branding bisher noch nicht in seiner Organisation platzieren konnte, dann hat man jetzt ausreichend Argumente an der Hand. Davon ist Martin überzeugt. Voraussetzung ist jedoch, dass das Verständnis in Organisationen geschärft wird. Sowohl im Gesundheitswesen als auch in anderen Branchen wird unter Employer Branding zu häufig noch etwas anderes verstanden, als es eigentlich ist.
Dafür bedarf es eine Menge Aufklärungsarbeit. Das weiß Martin aus Erfahrung. Employer Branding bedeutet nicht, schnell Stellenanzeigen zu überarbeiten. „Es ist ein Markenaufbau und eben nicht ein Einzelmaßnahmen-Denken. Es ist, mit Planung und Konzept heranzugehen und meistens – bis ich das tun kann – habe ich schon eine Organisationsentwicklung hinter mir oder anberaumt, bevor ich mit dem eigentlichen Employer Branding starten kann.“
Theorie und Praxis ideal verknüpft: „Employer Branding im Gesundheitswesen“
Diese Aufklärungsarbeit leistet Martin Camphausen nicht nur in seiner Position beim Klinikverbund Südwest. Als Autor, Blogger und Herausgeber teilt er seit Jahren sein Wissen, gibt praktische Hilfestellungen, vernetzt Gleichgesinnte und zeigt Best Practices.
Genau das spiegelt sich in seinem aktuellen Herausgeberwerk wider. Der Titel „Employer Branding im Gesundheitswesen“ erschien Ende 2020. Damit kommt Martin der Nachfrage nach Literatur zum Thema Employer Branding speziell für die Gesundheitsbranche nach.
Buchtipp: Employer Branding im Gesundheitswesen
Die deutsche Gesundheitswirtschaft ist Wachstumstreiber und Jobmotor zugleich. Mangelndes Personal kann in dieser dienstleistungsintensiven Branche genauso volkswirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Schaden hervorrufen. Daher sollte das Binden und Finden von Mitarbeitern höchsten Stellenwert genießen. Doch Employer Branding spielt weiterhin eine untergeordnete Rolle. Zahlreiche Impulsgeber, Meinungsführer und Best Cases zeigen in diesem Herausgeberwerk auf, wie erfolgreich Employer Branding sein kann und warum es eine Notwendigkeit dazu gibt.
Mehr InformationenMartin war es ein besonderes Anliegen, in seinem Buch Theorie und Praxis optimal miteinander zu verknüpfen. Mit einem einleitenden Teil schafft er ein grundsätzliches Verständnis: Was ist Employer Branding und was nicht? Was bedeutet das im Gesundheitswesen bzw. was müsste es bedeuten? Im zweiten Part lässt er Praktiker zu Wort kommen: HR-Influencer und weitere Akteure bringen ihre Erkenntnisse und Erfahrungen ein. Der dritte Teil legt den Fokus komplett auf die Praxis. Hier werden ausgewählte Best Cases vorgestellt.
Best Practices aus der Gesundheitswirtschaft
Bewusst hat sich Martin für Beispiele entschieden, die nicht nur aus dem Krankenhauswesen, sondern aus der gesamten Gesundheitswirtschaft stammen. Der Case des Chemie- und Pharmaindustrieunternehmens Merck zeigt, wie eine traditionelle Brand optisch und inhaltlich ihren Weg in die Moderne gefunden hat. Für ihn ist es eines der sehr gelungenen Beispiele, wie Corporate und Employer Branding optimal miteinander verbunden und weiterentwickelt wurden. Ein ganzheitlicher Ansatz, der folgend spezifisch gedacht wird.
Insgesamt gibt es jedoch noch zu wenig gute Beispiele, findet Martin. Hinzukommt: Zur Zeit der Pandemie wird die Arbeit an der Arbeitgebermarke deutlich herausfordernder. Es ist zugegebenermaßen nicht leicht, Personen für Employer Branding zu begeistern, die derzeit Tag für Tag mit der Bewältigung der Coronapandemie konfrontiert sind. Alle, die sich jedoch bereits aktiv mit ihrer Employer Brand beschäftigen, sollten auf jeden Fall am Ball bleiben, so der Tipp von Martin. Angefangene Dinge zurückzustellen und kein Budget reinzustecken, wäre der falsche Weg. Zumal sich der Arbeitnehmermarkt seiner Prognose nach verschärfen wird, sobald sich vieles beruhigt hat.
Neben den im Buch aufgeführten Cases hat uns natürlich ebenfalls interessiert, wie Employer Branding, Recruiting und Personalmarketing derzeit im Klinikverbund Südwest praktiziert werden. Auch hier hat uns Martin interessante Einblicke gewährt und geschildert, was auf seiner Agenda steht. Mehr dazu gibt es im Interview, das in diesem Beitrag oder über den WESTPRESS-Youtube-Channel abzurufen ist.
Titelbild: © Martin Camphausen
Hinweis: Obgleich in diesem Beitrag nicht immer geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet werden bzw. Schreibweisen, die die Gleichstellung der Geschlechter zum Ausdruck bringen, sind natürlich Männer und Frauen sowie Intersexuelle gleichermaßen gemeint.
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