7. Februar 2022 Keine Kommentare

Chatbots im Recruiting – WESTPRESS im Gespräch mit Judith Drebert

Porträt Judith Drebert

Im Zeitalter der Digitalisierung gewinnen im Recruiting zahlreiche Tools an Bedeutung, die die tägliche Arbeit erleichtern. Zu diesen kleinen praktischen Helfern zählen u. a. Chatbots – oder anders formuliert – automatisierte Dialogsysteme, die in Form von Sprach- oder Texteingabe die Kommunikation zwischen Bewerbenden und HR-Abteilung unterstützen. Ihr Vorteil: Sie sparen Personalerinnen und Personalern wichtige Zeit.

    Viele von uns kennen es aus dem E-Commerce: Per Chatfunktion lassen sich bei Bedarf direkt Informationen abrufen. Dabei handelt es sich zumeist um sogenannte Chatbots, sprich eine digitale, automatisierte Alternative zum Kundenservice. Auch für Bewerbende kann eine derartige Kommunikationsmöglichkeit von Vorteil und Interesse sein.

    Corona wirkt als zusätzlicher Beschleuniger bei der Akzeptanz der Technik: Laut einer Capgemini-Studie aus 2020 haben 56 Prozent der Befragten täglich KI-basierte Interaktionen mit Organisationen. Mit stärker ausgeprägtem Gesundheits- und Sicherheitsbewusstsein der Menschen steigt die Nachfrage nach kontaktlosen Angeboten, gleichzeitig vertrauen auch immer mehr den Programmen und Tools im Dialog.

    Für unser Interviewformat „WESTPRESS im Gespräch“ haben wir mit Judith Drebert gesprochen. Sie arbeitet als Referentin für Digitalisierung und IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) beim Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Außerdem ist sie Doktorandin im Bereich Media Management an der Hochschule Rhein-Main. Im Videointerview haben wir uns mit ihr über Vorteile und Hürden bei der Einführung von Chatbots ausgestauscht.

    Technische Unterschiede: regelbasiert vs. KI

    Wichtig ist die technische Unterscheidung zwischen zwei Arten von Chatbots: Beim regelbasierten Chatbot werden die Nutzenden durch den Verlauf mehr oder weniger an die Hand genommen. In einer Art Frage- und Antwortspiel gelangen die KandidatInnen anhand einer Menüstruktur zu den vorher festgelegten Antworten. Inhaltlich erinnert dieses Format stark an eine FAQ-Seite (Frequently Asked Questions). Bots werden oftmals auch aus dieser Quelle „gefüttert“.

    KI-basierte Chatbots lernen hingegen mit, weil hier die Eingabe von Freitext möglich ist. Ein großer Vorteil in der Kommunikation: Die Bewerbenden können ihre Fragen ohne Umwege stellen und kommen schneller zum Ziel. Anhand der freien Texteingaben lässt sich umgekehrt auswerten, welche Themen die Nutzenden besonders interessieren. Und: Fragen, die nicht verstanden wurden, lassen sich im System bestmöglich anpassen und verbessern.

    Was macht Chatbots attraktiv?

    Während andere Branchen, vor allem der Onlinehandel, schon jahrelang Erfahrungen mit Chatbots sammeln und die Technik immer weiter verfeinert haben, kommen die digitalen Helfer auf Karriere-Websites noch selten zum Einsatz. Dabei liegen für Judith Drebert die Vorteile klar auf der Hand:

    Zeitliche Erreichbarkeit

    Bewerbende haben rund um die Uhr, an allen sieben Tage der Woche, die Chance, mit dem potenziellen Wunscharbeitgeber in Kontakt zu treten. Sollten also Interessierte Fragen zum Unternehmen oder zu einem bestimmten Jobangebot haben, so bekommen sie die gesuchten Informationen im Optimalfall direkt und unverzüglich. Das kann abends auf dem Sofa oder am Wochenende in einem Café sein, beschreibt Drebert einen ersten Vorteil.

    Höhere Auslastung

    Im Gegensatz zum Menschen kann der Chatbot zur gleichen Zeit mehrere Anfragen parallel beantworten. Je nach Unternehmen und Anzahl der offenen Stellen, die zu besetzen sind, verschafft er Personalerinnen und Personalern wertvolle Zeit, wenn Fragen gefiltert und automatisiert beantwortet werden. Dazu reagieren Chatbots sekundenschnell und selbst bei hoher Nachfrage mit gleichbleibender Qualität. Für Drebert oft ein gutes Argument in Verhandlungen mit der Geschäftsführung, wenn es um die Einführung eines solchen Tools geht.

    Niedrige Kontaktschwelle

    Nicht jeder oder jede Bewerbende möchte sich gleich zu Beginn des Bewerbungsprozess outen, sondern verschafft sich anhand der Karriere-Website und der Stellenbeschreibung einen ersten Überblick. Alternativ zum Anruf oder zur E-Mail kann man via Chatbot ebenfalls mit dem Unternehmen interagieren, in dem Fall allerdings anonym bleiben und somit mutiger bei Fragen nach Gehalt, Befristung oder Benefits sein.

    Worin liegen Risiken?

    Natürlich gibt es für Judith Drebert auch eine Kehrseite der Medaille, denn die Dialogqualität hängt stark vom Produkt und von den hinterlegten Daten ab. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass der Aufbau und die Pflege der dazu notwendigen Datenbanken durchaus anspruchsvoll und zeitintensiv sind. Mit jeder Veränderung im Unternehmen muss der Chatbot aktualisiert werden. Die Arbeit daran ist fortlaufend.

    Beim Thema Datenschutz ist vor der Einführung die Skepsis auf Seiten der Unternehmen oftmals größer als bei denjenigen, die das Tool später nutzen. Im Hintergrund kann klar festgelegt werden, welche Daten der Chatbot ausgeben, aber vor allem auch einsammeln darf. Für Drebert spielt eher die Transparenz eine größere Rolle. So kommt es wie bei anderen Innovationen darauf an, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und deutlich zu machen, dass der Einsatz eigentlich unkritisch sei.

    Welche Voraussetzungen sollten erfüllt sein?

    Die Einführung eines Chatbots ist keine Ad-hoc-Maßnahme. Auf die Schnelle in kurzer Zeit live gehen und dann einzelne Fragen beantworten – das funktioniert wohl leider nicht. An erster Stelle steht die Strategie, bei der die Nutzenden im Mittelpunkt stehen sollten: Wann wird dieser Kommunikationsweg für potenzielle Bewerbende interessant? Was sind die Ziele, welche Antworten möchten sie finden? Erst danach sollte es um die eigentliche technische Lösung gehen, bei der es auf dem Markt eine Bandbreite von Angeboten gibt – je nach Ausstattung, aber natürlich auch nach Budget.

    Zwei Beispiele: Die DRK Kliniken Berlin und BASF

    Auf der klar strukturierten Karriere-Website der DRK Kliniken Berlin ist das Recruiting-Team auch via Chatbot erreichbar. Als digitale Gesprächspartnerinnen stellen sich Maja und Katarzyna den Interessenten via Foto vor und führen mit kurzen Sätzen durch das Menü. Anhand der Frage „Und was für ein Typ bist du so?“ gibt das Unternehmen beispielsweise Einblicke und Infos zu den jeweiligen Standorten. Der entspannte Typ wird so auf ein Krankenhaus in Köpenick aufmerksam – mit einem See in der Nähe, um dort nach der Arbeit zu chillen. Wem das gefällt, der kann schon nach wenigen weiteren Klicks zukünftige Kolleginnen und Kollegen kennenlernen, die sich in Kurzvideos vorstellen.

    Beim Chemiekonzern BASF begegnet den Bewerbenden Avatar Anilina. Auch hier ist das Gespräch durch eine Menüführung strukturiert. Neben der Suche nach dem passenden Job oder Infos zum Unternehmen ist zusätzlich eine offene Fragestellung möglich. Kommt Anilina nicht weiter, stellt sie auf Wunsch den direkten Kontakt zu realen Personalerinnen und Personalern her.

    Zum Beispiel DRK Kliniken Berlin: https://karriere.drk-kliniken-berlin.de/

    Zum Beispiel BASF: https://www.basf.com/global/en/careers/jobs.html#%7B%7D

    Innovativ, aber mit Vorsicht

    Wer mit dem Gedanken spielt, in seinem Unternehmen einen Chatbot einzuführen, sollte seine eigenen Erfahrungen sammeln und einzelne Chatbots einfach selbst live ausprobieren. Aber Judith Drebert betont auch, dass Bewerbende schnell die Lust verlieren, wenn sie aufgrund von unausgereifter Technik, fehlerhaften oder veralteten Datenbankeinträgen nicht zum gewünschten Ziel gelangen. Hier gibt es wie im echten Leben keine zweite Chance für den ersten Eindruck.



    Titelbild: © Judith Drebert

    Hinweis: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in einzelnen Fällen auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter.

    Tina Schwarze

    ist Ihre Ansprechpartnerin für alle Anfragen rund ums Thema Content. Im Blog schreibt sie vorwiegend zu den Themen Personalmarketing und Employer Branding.

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